Am 10. Mai 1933, wenige Wochen nach der nationalsozialistischen Machtübernahme, wurden Bücher von politisch und rassisch unerwünschten Schriftstellern und Wissenschaftlern in fast allen deutschen Universitätsstädten verbrannt. Darunter waren u.a. Werke von Bertolt Brecht, Lion Feuchtwanger, Sigmund Freud, Erich Kästner, Irmgard Keun, Heinrich Mann, Erich Mühsam, Erich Maria Remarque, Anna Seghers, Ernst Toller, Kurt Tucholsky, Arnold und Stefan Zweig.
Grundlage für die Auswahl der zu verbrennenden Werke bildeten so genannte „Schwarze Listen“ des Bibliothekars Wolfgang Herrmann, nach denen Studierende und andere Hochschulangehörige „verbrennungswürdige“ Literatur in Universitätsbibliotheken, Leihbüchereien und Buchhandlungen für die Verbrennungen aussonderten.
Dabei hätten gerade die Studierenden, Professoren (und Bibliothekare) Heinrich Heines Mahnung kennen sollen: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen.” Dieses Zitat aus dem Drama Almansor, das Heine schon 1821 geschrieben hat, wurde auf unfassbare Weise Realität.
Die bundesweite Aktion „Bücher aus dem Feuer” greift das Gedenken an die Bücherverbrennung auf. Alljährlich sind Vortragende aufgerufen, an diesem Tag aus Büchern zu lesen, die 1933 durch die Nazis ein Opfer der Flammen wurden. Die Initiative „Bücher aus dem Feuer” ist an keinen Ort gebunden. Sie kann auf öffentlichen Plätzen und in jeder lokalen Institution, bevorzugt natürlich in Bibliotheken, stattfinden.
Was 2020 eher als Notlösung begann, hat sich in den letzten drei Jahren etabliert: Über 50.000 Menschen schauten online die Videos, die Lesende vorab aufgezeichnet hatten, und hörten den Gedichten, Geschichten und Liedern einst verächteter Autorinnen und Autoren digital zu. Die Videos können noch immer angesehen werden. Heute ist Mitmachen bei der Online-Aktion zum beliebten Ergänzungsformat geworden, das mehr Reichweite verspricht. Menschen aus aller Welt sind eingeladen, am 10. Mai 2023 einen Auszug eines Buches, das der Bücherverbrennung zum Opfer fiel, zu lesen, ein Lesevideo auf ihre Social-Media-Accounts hochzuladen und mit den Hashtags #gegenvergessen und #10mai1933 zu versehen. Die offiziellen Instagram- und Facebook-Accounts der Aktion teilen die veröffentlichten Beiträge, so dass auch digitale Aufmerksamkeit für die vor 90 Jahren verbrannten und nach wie vor wichtigen Texte geschaffen wird.
Der Verein Verbrannte Orte e.V. hat eine Wanderausstellung zu den NS-Bücherverbrennungen von 1933 konzipiert, die u.a. Bibliotheken bei sich ausstellen und so an den 90. Jahrestag der Bücherverbrennungen (um den 10. Mai 2023) erinnern können. Die Website der Initiative gibt einen Einblick in die Ausstellung, die es in einer Indoor- sowie einer Outdoor-Variante gibt. Weitere Infos zur Ausstellung finden Sie im Blog von Verbrannte-Orte.de
Im Jahr 2023 jährt sich die Bücherverbrennung zum 90. Mal. Gerade Bibliotheken sind aufgerufen, durch gezielte Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zum Sinn und Zweck des Gedenktages an das Geschehen zu erinnern. Aktionen mit geeigneten Vorleserinnen und Vorlesern sowie ein Büchertisch sind sinnvoll, um eine nachhaltige Wirkung zu erreichen. Ziel ist, dass möglichst viele Partner sich beteiligen, insbesondere auch Schulen. Nie wieder soll so etwas geschehen!
In einer aktuellen Pressemitteilung zum Gedenken an die Bücherverbrennungen vor 90 Jahren sagt Volker Heller, Bundesvorsitzender des Deutschen Bibliotheksverbandes e.V. (dbv): „Vor 90 Jahren wurden aus zahlreichen Bibliotheken Bücher entfernt und öffentlich verbannt. Daran waren auch Bibliotheksmitarbeitende beteiligt. Seit vielen Jahren sind wir uns einig: Es ist der gesellschaftliche Auftrag von Bibliotheken, die Informations- und Meinungsfreiheit zu schützen und wachsam zu sein, wenn es um Entwicklungen geht, die politisch oder ideologisch missliebige Werke verbieten möchten, so wie wir es derzeit nicht nur in den USA beobachten. Bibliotheken sind hinsichtlich ihrer Sammlungen pluralistisch. Vor diesem Hintergrund hält es der Deutsche Bibliotheksverband für besonders wichtig, dass schon Ansätzen von Zensur entschieden entgegengetreten wird. Hier sind insbesondere die Träger der Bibliotheken sowie die politisch Verantwortlichen gefordert, Grundbedingungen bibliothekarischer Arbeit zu verteidigen und zu fördern.“
Die Meinungs- und Informationsfreiheit aus Artikel 5 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland bildet die verfassungsrechtliche Grundlage bibliothekarischer Praxis.
Weitere Informationen:
Pressemitteilung des dbv zum 90. Jahrestag der Bücherverbrennung