„Gaming ist für uns eine echte Chance.“ Da Gaming immer beliebter wird, sollten sich die Bibliotheken diesen Trend zunutze machen, findet Björn Rodenwaldt, Leiter der Stadtbücherei Geretsried: „Sie müssen sich bewegen, um im Zeitalter der Digitalisierung zu überleben.“ Denn die Nutzer- und Ausleihzahlen von Büchern sind rückläufig, gerade was Jugendliche und junge Erwachsene angeht.
Mario Kart, FIFA oder Tomb Raider – auch Fans von Computer- und Videospielen kommen künftig bei einem Besuch in der Geretsrieder Stadtbücherei voll auf ihre Kosten. Dort gibt es nämlich seit kurzem einen eigenen Gaming-Raum, in dem Computer- und Videospiele gespielt werden können und zur Ausleihe bereitstehen. Auch Erster Bürgermeister Michael Müller ist davon überzeugt, dass Computer- und Videospiele mittlerweile fester Bestandteil unseres Kulturgutes sind. Die Stadtbücherei gehe mit ihrem neuen Angebot mit der Zeit und leiste damit einen wertvollen Beitrag zur Förderung der Medienkompetenz von Kindern und Jugendlichen.
„Wir sehen es als wichtige Aufgabe einer öffentlichen Bibliothek, den kreativen, verantwortungsvollen und souveränen Umgang mit Games zu fördern, die Spielkultur zu bereichern und Bildungsprozesse um und mit Games anzureichern“, so Rodenwaldt. „Alleine schon aus Preisgründen sind viele Kinder und Jugendliche in diesem Bereich oft außen vor. Unser neues Angebot öffnet auch ihnen eine Tür in diese Welt; dadurch können sie wirklich mitreden.“
Der Gaming-Raum im Untergeschoss der Bücherei bietet künftig drei Bereiche, die zum Spielen einladen: neben den Konsolen Nintendo Switch und Playstation 4 liegt auch eine 3D-Brille HTC-Vive für erste Besuche in der so genannten Virtual Reality bereit. Die Wände des mit modernen Sitzmöbeln ausgestatteten Raums bemalten zwei Leserinnen mit Anime- und Mangafiguren. Aktuell sind rund 80 Spiele aus den Bereichen Action, Abenteuer, Strategie, Lernen und Simulation verfügbar, Tendenz steigend. Öffentlich angeboten und vor Ort spielbar sind ausschließlich Spiele mit einer Altersfreigabe von 0 oder 6 Jahren. Sämtliche Konsolen-Titel – auch Spiele mit FSK 18 - sind über den Online-Katalog recherchierbar und können nach Vorlage des Büchereiausweises und einer Alterskontrolle ausgeliehen werden. Die 3D-Brille steht allen Personen ab 12 Jahren zweimal wöchentlich zu festen Terminen zur Verfügung und kann im Sitzen getestet werden – inklusive einer Betreuung durch das Personal beziehungsweise hoffentlich bald auch durch Gaming-Spezialisten; eine Ausdehnung dieses Angebotes ist geplant.
Außerdem soll die Zusammenarbeit mit den benachbarten Schulen verstärkt werden. So könnten beispielsweise Computerdarstellungen von unbekannten Ländern den Erdkundeunterricht anschaulicher machen. Auch Rollenspiele rund um Mobbing oder häusliche Gewalt ließen sich so einstudieren.
Der Gaming-Raum wird schon jetzt intensiv genutzt, nach Schulschluss ist sehr viel los. Streit gebe es bislang nicht um die sechs Steuergeräte für die „Nintendo Switch“-Konsole und die „Playstation 4“, die sich hauptsächlich Buben an der Theke ausleihen. Während die einen spielen, können die anderen Manga-Comics und Spielezeitschriften lesen oder zuschauen und anfeuern.
Zum Vorbeugen von Suchtverhalten und um lange Warteschlangen zu vermeiden, darf jeder Besucher höchstens eine Stunde am Tag spielen. Die 3D-Brille muss spätestens nach einer Viertelstunde abgesetzt werden. Um mit dem Vorurteil aufzuräumen, dass alle Gamer nur als verschrobene Einzelkämpfer in virtuellen Welten leben, will Rodenwaldt künftig Spiele-Workshops und Infoabende für Skeptiker anbieten. Spielen sei ein Gesellschaftserlebnis. „Natürlich nur, wenn man nicht allein im Keller vor dem Monitor sitzt.“
Die Gesamtkosten für die Einrichtung des Gaming-Raumes sowie die Anschaffung der bisher verfügbaren Spiele belaufen sich auf knapp 30.000 Euro. Die Landesfachstelle unterstützte das Projekt mit einer Förderung von 40 Prozent der Gesamtkosten.