Es war schon etwas ganz Besonderes im Jahr 2023! Erstmals war für die Stadtleseaktion "Würzburg liest ein Buch", die seit 2014 im zweijährigen Turnus stattfindet, eine Frau ausgewählt worden. In den Fokus gerückt war Elisabeth Dauthendey (1854-1943), eine frühe Frauenrechtlerin, Lehrerin und Schriftstellerin. Und diesmal stand kein zusammenhängender Text, sondern eine Werkauswahl verschiedener Erzählgattungen im Mittelpunkt. "Das Weib denkt. Essays, Novellen, Gedichte und Märchen einer frühen Frauenrechtlerin" - so lautete, entsprechend dem gleichnamigen Buchtitel, das Motto der engagierten Aktion. Diese wird vom Verein Würzburg liest e.V., einer Vereinigung von Würzburger Buchhandlungen und der Stadtbücherei organisiert. Koordinator ist Daniel Osthoff, vom gleichnamigen Antiquariat. Offizieller Termin der Aktionswoche war 16. bis 25. Juni 2023. Allerdings fanden und finden auch Aktionen vorher und nachher statt.
Zur Autorin und ihrem Werk (wuerzburg-liest.de)
Festakt
Den Startschuss gab der Festakt am 16. Juni 2023 um 20 Uhr in der Stadtbücherei. Die Moderation hatte Dr. Christine Ott vom Lehrstuhl für Didaktik der deutschen Sprache und Literatur der Universität Würzburg übernommen. Forsch und flott geleitete sie durch das Programm und stellte bei der Diskussionsrunde mit Oberbürgermeister Christian Schuchardt, Dr. Pia Beckmann (frühere Oberbürgermeisterin) und Daniel Osthoff provokante Fragen. Musikalisch umrahmte den Abend Sinn Yang, Dozentin für Violine an der Hochschule für Musik in Würzburg, mit der Geige.
Bibliotheksdirektorin Martha Maucher wünschte sich für die bevorstehende Zeit: "Würzburg als lebendige Literaturstadt – wir gemeinsam begeistern Menschen für das Lesen … Keiner liest für sich alleine". Das Aktionsbuch sei so gefragt, dass sogar ein Exemplar in der Stadtbücherei angekettet werden musste, berichtete sie schmunzelnd.
Daniel Osthoff findet Elisabeth sehr spannend. Sie sei eine Literatin, die politisch agiere, selbst in ihren Märchen. Die Texte seien hochaktuell, wenn es zum Beispiel um Kindesmissbrauch (vgl. die Erzählung "Das Kind") gehe.
OB Schuchardt schätzt an der Aktion Würzburg liest, dass sie von bürgerschaftlichem Engagement getragen und eben nicht von der Stadt aufoktroyiert sei. Gerne habe er die Schirmherrschaft dafür übernommen. Neben dem gemeinsamen Lesen gehe es letztlich auch um Stadt- und Erinnerungskultur.
Dr. Pia Beckmann hält das Buch nach wie vor für wichtig. Es reiche aber alleine nicht mehr aus, um junge Menschen zu begeistern. Diese müssten über andere Kanäle angesprochen werden - Instagram, QR-Codes und Podcasts seien wichtige Möglichkeiten. Beckmann zeigte sich begeistert, von der politischen Powerfrau Elisabeth und ihrem emanzipatorischen Gedankengut. Denn Entwicklungsbedarf gebe es auch heute noch: Entscheidungsgremien müssten paritätisch von Frauen und Männern besetzt sein. Letztlich diene dies dem Wohle beider Geschlechter und würde die Gesellschaft voranbringen.
Abschließende Krönung des Festaktes war die Verleihung der Preise im Schulwettbewerb gemeinsam mit OB Schuchardt (siehe Fotos).
Aktionswoche vom 16. bis 25. Juni 2023
Zahlreiche Einrichtungen, Initiativen und Personen in und um Würzburg haben bei der Aktion mitgewirkt und ein reichhaltiges Programm entstehen lassen.
Wer den Sammelband von Elisabeth Dauthendey noch nicht gelesen hatte, konnte sich regelmäßig bei der Readers‘ Corner „Das Weib denkt.“ einfinden, bei der unterschiedliche Vorlesende an acht Mittags-Terminen aus dem Auswahlband Elisabeth Dauthendeys jeweils von 12 bis 13 Uhr in der Behr-Halle (ehemals Efeu-Hof im Würzburger Rathaus) lasen.
Zur Behr-Halle sei noch erwähnt, dass hier eine Ausstellung aus mehreren Teilen dargeboten wurde: Bilder und Texte aus Leben und Werk, zusammengestellt von Hans Bauner und Daniel Osthoff mit einem Exkurs zum Thema "Kampf um das Frauenwahlrecht und die ersten Würzburger Frauen in der Politik" von Gisela Kaiser und Petra Müller-März. Ergänzend wurden Exponate zur Kunstaktion „Das Weib denkt. In Bildern.“ sowie die Beiträge zum Schulwettbewerb „Elisabeth Dauthendey und wir“ präsentiert.
Eine weitere Ausstellung „Elisabeth Dauthendey – Leben und Werk einer frühen Frauenrechtlerin, Pädagogin und Schriftstellerin - Und ab wann Frauen endlich studieren durften!“, mit Bildern und Texten aus Leben und Werk, zusammengestellt von Gisela Kaiser, Hans Bauner und Daniel Osthoff, gab es in der Zentralbibliothek der Universitätsbibliothek Würzburg zu sehen.
Über den zentralen Festakt hinaus fanden in der Stadtbücherei Würzburg noch weitere Veranstaltungen statt:
Der Photopionier Carl Albert Dauthendey:Vortrag von Prof. Dr. Eckhard Leuschner, Institut für Kunstgeschichte der Uni Würzburg im Dauthendey-Saal
Die Würzburger „Harmonie“ um 1890: Ein Lieblingsort der Dauthendeys (Vortrag von Franz Bandorf), ebenfalls im Dauthendey-Saal
Der besondere Höhepunkt war das Theaterstück "Hannah & Elisabeth" von Ulrike Schäfer und Boris Wagner - eine Begegnung über die Zeit hinweg, das von Boris Wagner inszeniert wurde. Die Uraufführung fand am 21. Juni in der Bibliothek im Landgericht statt und wurde am 4. Juli in der Stadtbücherei Würzburg (gut besucht) wiederholt. Die Veranstaltung von Würzburg liest e. V. entstand in Kooperation mit der Juristen Alumni Würzburg e. V. und pics4peace e. V. Dr. Pia Beckmann schlüpfte dabei in die Rolle der Elisabeth und traf auf eine zeitgenössische Akademikerin, die trotz zeitlicher Distanz mit ganz ähnlichen Problemen zu kämpfen hat.
1898. Elisabeth will eine Vorlesung besuchen, um sich juristisch zu bilden und in ihrem Verein Rechtsberatung anzubieten, wird jedoch als Frau vom Professor hinausgeworfen.
2023. Hannah, promovierte Biologin und Journalistin, stehen rein formal alle Wege offen, sie ist aber alleinerziehende Mutter.
Die beiden treffen in der Bibliothek der juristischen Fakultät aufeinander, zunächst verwundert über den Zeitsprung und die jeweiligen Erfahrungen der anderen Frau. Schauspieler Rainer Appel vereinigt in seiner Person den rückschrittlichen Jura-Professor und den ungerechten Redaktionschef Andreas. Auf der Bühne sind die zwei unterschiedlichen zeitlichen Positionen von Elisabeth und Hannah in einer Handlung verschmolzen. Die beiden werden von einem vielstimmigen Chor von Mitstreiterinnen unterstützt – letztlich erstarrt und verstummt der männliche Widersacher.
Für die katholische Liborius-Wagner-Bücherei im Matthias-Ehrenfried-Haus las Bischof Franz Jung aus den Novellen von Elisabeth Dauthendey mit anschließendem Gespräch.
Bibliotheken in der Region
Erfreulicherweise gelingt es immer wieder, auch Einrichtungen und Bibliotheken aus den nahegelegenen Landkreisen zur Teilnahme zu animieren. Folgende Bibliotheken hatten eigene Veranstaltungen organisiert:
„Das Weib denkt?!“: Buchsoirée mit Edith Abels im Lesecafé der Bücherei im Bahnhof Veitshöchheim
„Das Weib denkt.“ – Lesung ausgewählter Texte von verschiedenen Lesern mit anschließendem Gedankenaustausch im Seinsheimschen Schloss (die Stadtbücherei Marktbreit hatte die Veranstaltung organisiert)
Die Bibliothek Markt Höchberg hatte das Puppentheaterstück „Das Zauberauge“ und „Die Zauberflöte“ gebucht. Thomas Glasmeyer spielte mit seinem piccolo teatro espresso zwei Kunstmärchen von Elisabeth Dauthendey. Die Musikerin Alla Kesselmann begleitete den Puppenspieler u.a. am „Theremin“, einem elektronischen Instrument aus den 1920er Jahren, das sie vor der Märchenaufführung in einem Gesprächskonzert erläuterte.
Alle Einrichtungen, Initiativen und Personen aus Stadt und Region haben zum Erfolg der wieder sehr gelungenen, historisch und politisch interessanten Aktion beigetragen. Es bleibt zu hoffen, dass die Texte von Elisabeth Dauthendey und die Diskussion darüber, neue Impulse gegeben haben, die Situation der Frauen, die auch im Jahr 2023 einer Weiterentwicklung bedarf, zu verbessern.
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